Putschversuch in der Türkei

In der Nacht von Freitag auf Samstag (15./16.07.) kam es in der Türkei zu einem „Putschversuch“ durch Teile des Militärs. Der Putsch wurde niedergeschlagen, was bleibt sind viele Fragen:

Das türkische Militär hat Erfahrung mit Putschen. Bereits in den Jahren 1960, 1971, 1980 und 1997 waren sie erfolgreich mit Interventionen. Weshalb wurde der Putsch 2016 so dilettantisch begangen?

Cui bono?
Wem nützt der niedergeschlagene Putsch?

Unbestritten ist, das Militär in der Türkei, zumindest Teile, sind ein Dorn im Auge des Präsidenten. Das Militär versteht sich historisch als eine Art Hüter der laizistischen Staatsordnung Atatürks, mithin der strikten Trennung von Religion und Staat. Eines säkularen Staates demnach. Erdogans Versuch einer Destabilisierung der Macht von Teilen des Militärs durch Absetzung und/oder Verhaftung hoher Offiziere in der jüngeren Vergangenheit sprachen eine deutliche Sprache.

Erdogan will, anders als es das Verständnis des Militärs ist, einen islamischen Staat aus der Türkei formen, zudem ein Präsidialsystem, ein totalitäres System, erreichen, das ihm alleine weitest gehende Befugnisse einräumen würde. Die Aufhebung der Immunität überwiegend kurdischer Parlamentarier vor wenigen Wochen muss im Gesamtbild mit betrachtet werden.

Zwei Welten prallen somit aufeinander: Das eher weltlich und demokratisch orientierte Militär, welches das Erbe Atatürks bewahren will, und der autokratische islami(sti)sche Präsident.
Erdogan bezeichnete den Putschversuch als „Geschenk Gottes“ und startete gleich am Samstag eine „Säuberungswelle“, die ihresgleichen sucht:

Fast 50.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wurden entlassen bzw. suspendiert, darunter alleine rund 15.000 Bedienstete im Bildungssektor

Fast 3000 Richter und mehr als 700 Staatsanwälte wurden ihrer Ämter enthoben

Fast 1000 Offiziere und 6000 Soldaten wurden aus dem Militär entfernt

Rund 9000 Bedienstete des Innenministeriums wurden entlassen
Über 600 Bildungseinrichtungen wurden geschlossen

Rund 9000 Verhaftungen wurden durchgeführt, darunter auch Menschen, die Erdogans Politik lediglich in sozialen Netzwerken kritisiert hatten

Der Ausnahmezustand wurde verhängt

Wie konnten innerhalb weniger Stunden und Tage all diese Menschen als „Gegner“ oder „Putschisten“ identifiziert werden? Wären alle diese Menschen tatsächlich an dem Putschversuch beteiligt gewesen, wäre er erfolgreich verlaufen.

Wir erinnern uns an Erdogans Worte, der Putsch sei ein „Geschenk Gottes“, die „Säuberungslisten“ lagen offenbar seit längerem vor. Der „Putschversuch“ war demnach Erdogans ureigenes „Pearl Harbor“. Der Trigger, alle Gegner, Kritiker, Kurden etc. auf einen Schlag loszuwerden.

Die Türkei hat sich über Nacht endgültig von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verabschiedet. Die Opposition wird bekämpft.
Wird durch die Handlungen des türkischen Präsidenten eine neue Flüchtlingswelle losgetreten? Regime-Kritiker, Gelehrte, Kurden. Können sich diese Menschen noch sicher in ihrer Heimat fühlen? Wohl kaum.

Vor diesem Hintergrund bekommen die türkischen Forderungen im Rahmen des „Türkei-Deals“ nach Visafreiheit eine völlig andere Bedeutung!

Erdogan gelangte letztlich erst durch die Hofierung durch die EU und Merkel zu seiner jetzigen Stärke. Sowohl die EU als auch die deutsche Regierung haben Mitschuld an der Verfolgung der Opposition in der Türkei.

Wir fordern die EU auf, mit sofortiger Wirkung alle Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden!

Wir fordern von der Bundesregierung ein Ende aller Verhandlungen mit der türkischen Regierung!

Wir fordern: Keine Verhandlungen und „Deals“ mit Despoten! Wer die Todesstrafe ins Gespräch bringt, kann und darf kein Verhandlungspartner mehr sein!

Wir fordern strenge Sanktionen der EU gegen die Türkei! Die Sanktionen gegen Russland wegen weniger können als Vorbild dienen!

Wir fordern die Überprüfung des NATO-Status der Türkei.

Wir fordern: Keine Visafreiheit für die Türkei!

Wir fordern ein Verbot türkischer Demonstrationen auf deutschem Boden! Es kann nicht angehen, dass verfeindete türkische Gruppen in unseren Straßen gegeneinander kämpfen.

Wir fordern einen wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen! Was die Türkei kann, kann auch die EU!

Der „Türkei-Deal“ bedeutet, keine Einwirkungsmöglichkeiten der EU oder Deutschlands auf die Innenpolitik der Türkei, insbesondere der Verfolgung von Kritikern. Aber endlose Erpressungsmöglichkeiten der Türkei in Richtung EU und Deutschland. Diese Farce muss ein Ende haben!

EU und Merkel haben sich lange genug von Erdogan am Nasenring durch die Manege ziehen lassen! Die Opposition in der Türkei zahlt heute den Preis dafür. Deutschland wird ihn in Kürze zahlen!

Bärbel van Dijk
Sprecherin AfD-Kreisverband Darmstadt-Dieburg

Veröffentlicht in Kreisverband Darmstadt-Dieburg.