„Doppel-Wumms“ oder Verpuffung?

„200 Milliarden Euro gegen die Energiekrise“ – so kündigt es die SPD am 29. September groß auf ihrer Website an.

„Doppel-Wumms“ für bezahlbare Energie (spd.de)

Etwas weniger polemisch gibt sich die Bundesregierung:

Gesamtpaket statt Gasumlage für eine stabile Energieversorgung | Bundesregierung

Gaspreisbremse und Strompreisbremse anstelle der umstrittenen Gasumlage? Wir erinnern uns: das Grüne-geführte Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck wollte anstelle einer ENTlastung die ohnehin finanziell schwerst gebeutelten Verbraucher (Privathaushalte, Unternehmen und Industrie) mit einer Gasumlage von gut 2,4 Cent pro Kilowattstunde zusätzlich BElasten. Ohne Rücksicht auf katastrophale Folgen für Wirtschaft und Bürger. Dem einen oder anderen Ampelmännchen muss klar geworden sein, dass die von den Grünen so offensichtlich (zu offensichtlich?) vorangetriebene Deindustrialisierung Deutschlands nicht gut gehen kann, weder für das Land, und schon gar nicht für die eigenen Wahlergebnisse. Folglich wurde die Gasumlage im allerletzten Moment gekippt: „… die geplante Gasumlage, die in der Gaspreisanpassungsverordnung geregelt war um (sic!) zum 9. August in Kraft getreten ist, am 30. September rückwirkend zum 9. August zurückgenommen.“

Freilich musste sich die Bundesregierung spätestens Ende September im Hinblick auf die Gasumlage etwas einfallen lassen. Nur eine Woche vor Verkündung des „Doppel-Wumms“ (warum glauben linke Politiker eigentlich, mit erwachsenen, um ihre Existenz kämpfenden Bürgern in Babysprache reden zu müssen?!?) durch den Bundeskanzler wurde die Übernahme = Verstaatlichung des Gasversorgungsunternehmens Uniper durch den Bund verkündet. Auch hier erinnern wir uns, dass Uniper zu 78 Prozent dem finnischen Unternehmen Fortum gehörte, das wiederum zu 51 Prozent im Besitz des finnischen Staates ist.

Verstaatlichung: So will der Bund Uniper retten | tagesschau.de

Zusätzlich zu einer allein vom Bund getragenen Kapitalerhöhung von 8 Milliarden (!) Euro sollen die von Fortum gehaltenen Anteile im Gesamtvolumen von 480 Millionen Euro gekauft werden, danach hält der Bund 99 Prozent der Anteile an Uniper. Der Anteilsübergang muss noch durch eine außerordentliche Hauptversammlung von Uniper genehmigt werden und unterliegt anschießend noch der beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission.

Viel Geld also, das der Staat für die Übernahme des finnischen Gasimporteurs Uniper hinblättert. So manch „Querdenker“ hätte im Hinblick auf die Gasumlage auf die Idee kommen können, zu fragen, weshalb man als steuerzahlender und gasverbrauchender Bürger oder Unternehmer eigentlich doppelt für die Uniper-Rettung zahlen soll: einmal durch die bereits abgepressten Steuern und Abgaben (auch hier erinnern wir uns: Deutschland hat die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast weltweit), die in die Übernahme des Unternehmens einfliessen und noch einmal durch die Gasumlage.

Besser alle Diskussionen um Uniper vermeiden. Denn der interessante Teil wurde und wird in unseren Qualitätsmedien kaum bis gar nicht thematisiert: Uniper hält Beteiligungen an drei schwedischen Kernkraftwerken (Stand Anfang Oktober: 54,5% an Oskarshamn, 29,6% an Ringhals und 8,5% an Forsmark). Wir erinnern uns noch einmal, Kernkraftwerke sind laut unserer Grünen Weltenretter Teufelszeug und müssen zumindest in Deutschland schnellstmöglich abgeschaltet werden. Dass man mit der Verstaatlichung von Uniper nun auch Anteile an schwedischen Kernkraftwerken erwirbt: geschenkt!

Und es wird noch spannender: Uniper hat eine Tochtergesellschaft namens Unipro. Diese Tochter, Unipro, betreibt ihrerseits fünf Gas- und Kohlekraftwerke (Erdgas, Braunkohle und Steinkohle). Diese fünf von Unipro betriebenen Kraftwerke liegen in Zentralrussland, Sibirien und dem Ural und liefern immerhin ca. 5 Prozent des russischen Stroms! Im Vergleich: Auch unsere drei verbliebenen Kernkraftwerke decken ca. 5 Prozent des deutschen Strombedarfs, und die Diskussion um ihren Weiterbetrieb, werden sie gebraucht oder nicht, wird erbittert und hochemotional geführt. Es handelt sich um folgende russische Kraftwerke: Berezovskaya/Berjosowskaja GRES (Region Krasnojarsk), Schaturskaja GRES (Oblast Moskau), Smolenskaya (Oblast Smolensk), Surgutskaya (Oblast Tjumen) sowie Yaivinskaya (Oblast Perm).

Uniper – Wikipedia

Bislang hat unsere Regierung noch nicht erklärt, warum Deutschland aufgrund von Sanktionen und Solidarität mit der Ukraine zwar keine Energieträger mehr aus Russland importiert, die deutsche Wirtschaft an die Wand fährt, die Bürger finanziell ausblutet aber auf der anderen Seite ein Unternehmen verstaatlicht, das zur sicheren Stromversorgung in Russland beiträgt. So etwas kann man nicht erfinden!

Aber man kann die Gasumlage kippen. Besser keine Diskussionen mehr.

Zurück zum „Doppel-Wumms“

Bisher real ist die Mehrwertsteuersenkung auf Gas von 19 Prozent auf 7 Prozent von Oktober 2022 bis März 2024. Dazu sollen die Preise für Gas und Strom gedeckelt werden. Genaueres dazu soll erst noch ausgearbeitet werden. Wir müssen demnach abwarten, bis zu welchem Verbrauch es einen Preisdeckel geben wird und wie dieser aussieht. Tatsächlich sollen nicht die Kosten für den gesamten Verbrauch gedeckelt werden, sondern lediglich für einen Basisverbrauch.

Gaspreisbremse: So könnte sie aussehen – und das muss die Regierung jetzt beachten (merkur.de)

Die Kritik am deutschen Subventionsprogramm lässt indes nicht lange auf sich warten. Wortgewaltiger Anführer der Kritik ist kein geringerer als der noch amtierende italienische Ministerpräsident Mario Draghi. Das ist der Mann, der „whatever it takes“ den Euro retten wollte und als ehemaliger EZB-Chef dubiose Staatsanleihen europäischer Pleitestaaten aufkaufte, als gäbe es kein Morgen. Koste es, was es wolle eben.

Leider spielen unsere Mainstreammedien, obwohl die Ausgestaltung des Subventionspaketes noch gar nicht feststeht, beim Spiel „Deutschland ist unsolidarisch mit dem Rest Europas“ überlaut mit. Eine kleine Auswahl:

Deutschlands Entlastungspaket in der Kritik: Es braucht auch einen europäischen „Doppel-Wumms“ (tagesspiegel.de)

Entlastungspaket der Bundesregierung: Der Doppelwumms ist antieuropäisch (msn.com)

In anderen europäischen Ländern gibt es solche Energiepreisbremsen bereits, ohne dass sich hiesige Medien oder andere Regierungen maßlos darüber aufregen:

Niederlande stellen Energiepreisbremse gegen hohe Kosten vor​ (rp-online.de)

Entscheidung der Regierung: Frankreich deckelt Gaspreise | tagesschau.de

Gaspreisdeckel in Spanien und Portugal: Die iberische Ausnahme – taz.de

Auch wenn der finanzielle Umfang in diesen Ländern nicht dem Umfang des deutschen Pakets entspricht, darf man zweierlei nicht unterschlagen: das deutsche 200 Milliarden-Paket umfasst nicht allein die Energiepreisbremse, es sind auch weitere Entlastungen von der Pendlerpauschale bis zum Nachfolger des 9-Euro-Tickets darin enthalten. Der zweite Punkt ist, dass man die Kaufkraft des jeweiligen Landes in die Kalkulation mit einbeziehen muss.

Daher stellt sich wieder die Frage, um was es tatsächlich geht? „Europäische Solidarität“ ist offenbar das Synonym für „Deutschland bezahlt“. Setzt Deutschland seine tatsächlich nicht mehr vorhandenen finanziellen Ressourcen für die eigene Bevölkerung ein, sind wir automatisch „unsolidarisch“ und „antieuropäisch“.

Jedenfalls hat die EU-Kommission bereits angekündigt (oder besser angedroht?), sich die deutsche Gaspreisbremse „in den kommenden Tagen sehr genau anzuschauen“…

Energiekrise: Europas harsche Kritik am deutschen „Doppel-Wumms“ – Politik – Stuttgarter Nachrichten (stuttgarter-nachrichten.de)

Wir warten also gespannt, ob sich der „Doppel-Wumms“ angesichts der heftigen Reaktionen unserer europäischen Nachbarn und vor allem der EU nicht doch noch zum Rohrkrepierer entwickelt.

Die Preise für Gas oder Strom sind in keiner Weise zu rechtfertigen. Wir haben in den vorherigen Artikeln bereits aufgezeigt wie und warum die Energiekrise, bestehend aus Verknappung und Verteuerung, durch rein ideologische Falschentscheidungen der letzten Jahre hausgemacht ist. Der Russland-Ukraine-Krieg hat die fatale Entwicklung lediglich verstärkt, ursächlich ist er nicht. Auch wenn uns der politmediale Komplex etwas anderes einzureden versucht, die Energiepreise kennen seit Frühjahr 2021, also seit einem Jahr VOR dem Russland-Ukraine-Krieg, nur eine Richtung: steil nach oben!

In einem lichten Moment, eventuell ist es angesichts sinkender Beliebtheitswerte auch schiere Angst, hat unser vom Kinderbuchautor zum Bundeswirtschaftsminister mutierte Robert Habeck „befreundeten“ Staaten „Mondpreise“ für Gaslieferungen vorgeworfen. Naheliegender ist allerdings der Versuch, durch das Zuschieben des Schwarzen Peters an die USA und Norwegen von der eigenen Verantwortung für die Energieknappheit und die dadurch entstandene Verteuerung abzulenken. Ohne das grüne Utopia stünden wir heute nicht da wo wir jetzt stehen.

Erdgas teuer: „Einige Länder, auch befreundete, erzielen teils Mondpreise“ – manager magazin (manager-magazin.de)

Unter anderem geht Habecks Tadel in Richtung USA. Es ist und war nie ein Geheimnis, dass gerade die USA vehement gegen die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Nord Stream 2 gekämpft haben. Mit Nord Stream 1 haben sie sich schon nicht abfinden wollen. Es ging den Freunden auf der anderen Seite des Teiches allerdings nicht wirklich um die „Sorge“, Deutschland könne sich allzu abhängig von Russland machen. Es ging und geht um knallharte wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Die USA profitieren u.a. durch den Verkauf von teurem LNG-Gas nach Europa bzw. Deutschland. Abhängigkeiten werden auf diese Weise nur verlagert. Die Erhebung der „Mondpreise“ nach den Russland-Sanktionen und aktuell den gesprengten Nord Stream Pipelines spricht eine eigene Sprache: um nicht im Dunkeln zu sitzen bezahlen die Deutschen jeden Preis! Deutschland kann diesen Abhängigkeiten nur durch Diversifizierung entkommen: Importe von Energieträgern auf möglichst viele Lieferländer verteilen und vor allem die eigenen Ressourcen (u.a. Exploration der Gasfelder in Norddeutschland, bedingungsloses Setzen auf Kernkraft) nutzen!

Das 200 Milliarden teure Subventionspaket soll zwar schnelle Hilfen zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen bringen. Gerade die Abwanderung von Teilen der produzierenden Industrie in kostengünstigere Länder (ja, die gibt es!) und der damit verbundene Verlust von Arbeitsplätzen könnte etwas gebremst werden. Das ist aber nur EIN Teil der Geschichte. Der andere Teil ist nach wie vor nicht geklärt: Gibt es überhaupt genug verfügbare Energie, Gas und Strom, um das Land durch den Winter zu bringen? Bei dieser Frage wird aus dem Bundeswirtschaftsminister Habeck wieder der Zauberlehrling Habeck: Um gut durch den Winter zu kommen „brauche man ein bisschen Glück mit dem Wetter“…

Energiekrise: Robert Habeck optimistisch für den Winter – wenn das Wetter mitspielt (rnd.de)

Glück mit dem Wetter haben reicht nicht ganz. Wir bekommen in unseren Medien seit Sommer laufend Wasserstandsmeldungen, oder besser Gasstandsmeldungen bzgl. der Füllstände der Gasspeicher mitgeteilt. Laut den im Sommer 2022 beschlossenen Vorgaben müssen die Gasspeicher folgende Füllstände erreichen: 85 Prozent am 01. Oktober und 95 Prozent am 01. November.

Energiekrise: Strengere Vorschriften für Füllstand der Gasspeicher treten in Kraft (rnd.de)

Am 02. Oktober lag der Gesamtfüllstand bereits bei gut 92 Prozent, man sollte meinen, wir lägen gut im Rennen. Das wurde uns durch den politmedialen Komplex auch so suggeriert. Zumindest bis das Narrativ von den vollen Speichern und der damit verbundenen Sicherheit letzte Woche eine ziemliche Delle bekam.

Gasspeicher-Füllstand in Deutschland aktuell: So voll sind unsere Speicher | news.de

Denn nicht ganz so gut ist, was wir in den letzten Tagen darüber erfahren mussten, was mit dem eingespeicherten Gas passiert. Es gibt keinen „Ausspeicherplan“. Einfach gesagt bedeutet das, deutsche Verbraucher haben keinen Anspruch auf das eingelagerte Gas! Das Gas in den Speichern gehört den jeweiligen Unternehmen. Und die können und werden es an den Höchstbietenden verkaufen, was nicht Deutschland oder deutsche Unternehmen sein müssen. Das Gas kann z. Bsp. an europäische Konzerne verkauft werden, die am deutschen Gasmarkt registriert sind. Laut Bundeswirtschaftsministerium entspräche dies den Vorgaben des „Europäischen Energiebinnenmarktes“. Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt höchstselbst: „Kenntnisse darüber, wohin das einzelne eingelagerte Gas fließt, liegen der Bundesregierung nicht vor“. Na, dann sind wir jetzt alle beruhigt! Läuft, im Sinne der Grünen!

Gaskrise: Speicher sind voll, doch wohin fließt das Gas genau? (merkur.de)

Eigentümer des eingespeicherten Gases sind die Versorgungsunternehmen, die es gekauft haben. Doch wem gehören die deutschen Gasspeicher? Auch diese gehören Gasversorgungsunternehmen: die meisten Gasspeicher werden von der Astora GmbH gehalten, ein Tochterunternehmen von Gazprom Germania, das im Frühjahr durch die Bundesnetzagentur unter deutsche Treuhänderschaft gestellt wurde, das norwegische Gas wird von Statoil Deutschland (eine Tochter der norwegischen Statoil ASA) gespeichert, und das aus den Niederlanden kommende Gas wird in Speichern der Firma Gasunie Deutschland (Tochtergesellschaft der niederländischen Gasunie) eingelagert.

Gasspeicher, Pipelines, Füllstände: So steht’s um Deutschlands Gas – Business Insider

Der „Doppel-Wumms“ soll zwar eine finanzielle Entlastung für die enormen Energiekosten sein, wo es aber keine Energie gibt, hilft auch kein „Doppel-Wumms“.

Mit der Frage was passiert, wenn wir kein bisschen Glück mit dem Wetter haben, und die Gasspeicher von Höchstbietenden, die keine deutschen Verbraucher sind, leer gekauft werden, beschäftigen wir uns im nächsten Beitrag.

Veröffentlicht in Kreisverband Darmstadt-Dieburg.